Samúel Són Samúelsson Big Band

4Hlidar-72DPI-rgb600Samúel Jón Samúelsson Big Band
“4 Hliðar”
CONTEMPLATE
release: 24.04.2014

Wenn in Island die Erde erzittert und die Luft mit Donnern und Dröhnen erfüllt ist, ist der Urheber meistens ein Vulkan. Meistens. Denn da gibt es noch das eigenartige Phänomen namens SJSBB. Wenn dieses unter Dampf gerät, werden auch schon mal Naturgewalten freigesetzt. Die rund anderthalb Dutzend Mannen um Bandleader, Komponist und Posaunist Samúel Jón Samúelsson schreiben nordische Bigbandgeschichte völlig neu. Mit “4 Hliðar” offenbart uns das machtvolle Kollektiv aus Reykjavik in 12 ausufernd-atemberaubenden Tracks einen extensiven Einblick in sein “geordnetes Chaos” aus Afrobeat, Ethio-Jazz, universellem Funkfeeling und brasilianischen Tupfern.

Im Zentrum steht ein bärtiger Bär von Typ, Samúel Jón Samúelsson, kurz Sammi oder auch SJS, von Jugend auf begeistert für den hypnotischen Sound von Fela Kutis Afrobeat. “Afrobeat ist so universell, dass jeder dazu eine Verbindung aufbauen kann, egal, ob man vom Jazz, Funk oder Rock her kommt”, so Samúelsson. “Doch wir kopieren ihn nicht, wir spielen ihn mit unserem eigenen Dreh!” Und der wird durch die anderen Vorlieben des Bandleaders gespeist, als da wären, Peter Herbolzheimer, Quincy Jones, Lalo Schifrin, Henry Mancini, Mulatu Astatke, George Clinton und Fred Wesley. Und überhaupt ist dieser Mann auch mit allen musikalischen Wassern links und rechts von Blechblasorchestern gewaschen, stand in Diensten bei Mezzoforte und Sigúr Rós, war Frontmann von Islands Funkkollektiv Jáguar und überhaupt in Reykjaviks Musikszene in allen Sparten bekannt wie ein bunter Hund.

2000 trommelte er seine eigene Bigband zusammen, die sich bezeichnenderweise nicht nur aus Funk- oder Jazzmusikern zusammensetzt, sondern Persönlichkeiten von Punk bis Klassik vereinigt. Dementsprechend vielgesichtig und turbulent geht es auch in der Big Band von SJS zu: “Ein Haufen Individualisten, die viele improvisatorische Freiheiten haben”, so charakterisiert Sammi sein Orchester. “Jeder bringt seine eigenen Färbungen ein, die sich schließlich doch zu einer Fusion organisieren. Wir sind am besten, wenn wir organisiertes Chaos spielen.” Nicht umsonst trägt eines der zentralen Stücke des neuen Werks – in leicht korrumpiertem Latein – auch den Titel “Ordeo Ad Chao”. Auf den beiden CDs “FnYkur” und “Helvitis Fokking Funk” war die kreative Urgewalt der Bigband bereits zu vernehmen, begleitet von umjubelten Konzertnächten auch in unseren Breiten. Für “4 Hliðar” hat Samúelsson seine Truppe nun für den bislang weitesten Spagat zwischen den Stilen zu einem epischen Doppelwerk versammelt. “Wir haben uns für ein langes Wochenende verschanzt und es einfach laufen lassen. Ich habe keinerleie Zeitlimits für dier Stücke gesteckt, keinem der Musiker bei seinem Solo die Uhr unter die Nase gehalten”, erklärt Samúelsson die opulente Dauer der CD.

Der Titel der neuen Scheibe verrät den Retro-Ästheten. SJS hat ein Faible für die Vinyl-Ära, mag es, eine physische Verbindung zur Musik zu haben. Deshalb ist diese Produktion – auch in der CD-Fassung – mit 4 Albumcovers aufgemacht, die den “4 Seiten” (deutsch für 4 Hliðar”) zugeordnet sind. Die zwölf Tracks bilden einen geographisch weit ausufernden Spannungsbogen mit Stationen von Addis bis Atlantis, von Reykjavik bis Rio, von knackigem Felasound bis zur psychedelischen Dubsphäre. “Es stimmt schon, der Sound ist mehr ‘out there’ als auf dem Vorgänger”, bekräftigt Sammi. “Es gibt zum Beispiel in ‘Atlantis International’ diese abgespacte Gitarre. Meine Idee bei diesem Stück war: Wenn Atlantis nicht versunken wäre und einen internationalen Airport mit Verbindungen nach Amerika und Afrika hätte, dann wäre dies die Erkennungsmelodie für den Landeanflug.

Das Bild von Atlantis im Dreieck zwischen USA, schwarzem Kontinent und Island funktioniert tatsächlich für etliche Stücke: In “Ethiopian” verbindet die Bigband nigerianischen Afrobeat mit der Anlehnung an die Skalen des Ethio Jazz von Mulatu Astatke, “Fola” zeichnet den Weg über den Ozean mit einem guineischen Djembe-Meister zu Beginn, den das Orchester schließlich in eine Sambaparty hineingeleitet. “Felafal” stellt, mit einer der für Sammi unerlässlichen Wortspiele, eine direkte Verbindung her zwischen dem Afrobeat-Großmeister und seiner Vorliebe für türkischen Gaumenschmaus. Ist das im Ausklang ein orientalischer Traffic Jam oder das Nebelhornkonzert einer Fischerkutterflotte? Dem Hörer sei die Entscheidung überlassen. Und im launigen, glisandogeschwängerten “Afromars” nimmt Sammi Bezug auf eine isländische Schrulligkeit. “Bei uns wurde mal der ‘Moustache Mars’ ausgerufen: Jeder Mann sollte sich im März einen originellen Schnurrbart wachsen lassen. Ich dachte mir, warum nicht mal einen März ausrufen, in dem man sich einen Afro wachsen lässt?

Du bist der erste Mensch aus Island!

Die beiden größten Überraschungen von “4 Hliðar” referenzieren auf seine zwei großen Afro-Idole. Mit “1st Man From Island”, in dem ein sphärisches Daumenklavier das akustische Tor öffnet, erinnert sich der Bandleader an seine Begegnung mit Mulatu Astatke bei einem Festival in Bergen. Als er auf die äthiopische Legende zuschritt, um sich als Fan zu outen, kommentierte Astatke die unverhoffte Begegnung mit: “Oh, du bist der erste Mensch aus Island!” Und “Afrobit” beherbergt tatsächlich den Mitbegründer des gleichnamigen Genres selbst. “Ich habe das Stück für Tony Allen geschrieben, der in Reykjavik beim Arts Festival ein Konzert mit seiner und unserer Musik gegeben hat. In Anschluss ging er dann mit uns ins Studio – ein großartiges Erlebnis für uns.” Kontemplativ klingt das Album mit “Peace” aus, denn so Sammi, ein Album sei wie eine spannende Reise, nach der man mit friedvollem Gemüt zurückkommen soll. Und trotzdem fühlt man sich irgendwie immer noch in Afrika. Kein Wunder, klärt SJS auf: “Island hat eine Sache gemeinsam mit den meisten afrikanischen Nationen: Wir waren die Kolonie einer europäischen Monarchie und sind erst im 20. Jahrhundert unabhängig geworden!”

Tour line up 2014:

Steinar Sigurðarson – tenor sax
Tommi Manoury – c melodi sax
Helgi Rúnar – bariton sax

Ívar Guðmundsson – trp
Snorri Sigurðarson- trp
Kjartan Hákonarson – trp
Ari Bragi Kárason – trp

Samúel Jón Samúelsson – tb
Kári Hólmar Ragnarsson – tb
Eyþór Kolbeins- tb

Steingrímur Teague – keys
Arnljótur Sigurðsson – bass
Daníel Friðrik Böðvarsson – git
Sigfús Óttarsson – drums

Discography

4 Hlidar
SJS BIG BAND

 

Helivitis Fucking Funk
SJS BIG BAND

 

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